In einem am 13. Dezember 2019 veröffentlichten offenen Brief unterstützt der Dachverband der österreichischen Sozialversicherung zusammen mit 41 anderen Interessensvertretern aus dem Gesundheitsbereich die Forderung nach der Wahrung des öffentlichen Interesses bei der EU-Forschungsförderung. Der Brief richtet sich in erster Linie an die zuständigen Kommissarinnen: Mariya Gabriela für Innovation und Forschung sowie Stella Kyriakides für Gesundheit.
Hintergrund sind die seit Sommer 2019 laufenden Vorbereitungen zu den insgesamt zwölf institutionalisierten Partnerschaften im Rahmen des Forschungsförderungsprogramm Horizont Europa auf Ebene der Europäischen Kommission. Eine dieser Partnerschaften ist die Initiative zu Innovation im Gesundheitswesen (engl. Innovative Health Initiative, IHI) als Nachfolgeprogramm der beiden Initiativen für Innovative Arzneimittel (engl. Innovative Medicines Initiative, IMI). Das übergeordnete Ziel von IHI ist, die technologische Konvergenz und das Verständnis von Krankheiten zu erleichtern sowie die Entwicklung von Innovationen im Gesundheitswesen zu beschleunigen. Dadurch soll die Entwicklung wirksamer und kosteneffizienter Innovationen im Gesundheitswesen beschleunigt werden, die direkt auf den ungedeckten Bedarf der öffentlichen Gesundheit ausgerichtet sind und von den Gesundheitssystemen aufgenommen werden können.
Schon bei den Vorgängerinitiativen kritisierten der Dachverband und andere Interessensvertreter wiederholt die mangelnde Transparenz, eine unzureichende Einbindung öffentlicher Stakeholder sowie den fragwürdigen ökonomischen Nutzen und den mangelnden Zugang der Öffentlichkeit zu den Forschungsergebnissen. Eine nahezu parallel zu den Vorbereitungen der Kommission veröffentlichte Konsultation der großen fünf Industrieverbände (u.a. Efpia als Verband der großen Pharmafirmen) scheint insbesondere die Bedenken zu bestärken, dass es sich bei der Initiative um ein primär auf die Industrieinteressen zugeschnittenes Projekt handelt. Gerade in sensiblen Bereichen, zu denen der Gesundheitsbereich zählt, ist die alleinige Ausrichtung der Forschungsförderung an den Industrieinteressen nachteilig für die Gesellschaft. Es gilt nun sicherzustellen, dass Interessensverbände und Forschungsinstitutionen in die Initiative maßgeblich eingebunden werden, um sicherzustellen, dass die Forschungsagenda nach den tatsächlichen medizinischen Bedürfnissen ausgerichtet wird. Zukünftige Forschung muss da stattfinden, wo ein wirklicher Bedarf besteht und keine ausreichenden ökonomischen Anreize vorhanden sind.
Konkrete Forderungen sind:
- Festlegung der Forschungsprioritäten gemäß den Bedürfnissen/Anforderungen der öffentlichen Gesundheit;
- Transparente, ausgeglichene und inklusive Governance-Struktur/Verwaltungsstruktur;
- Sicherstellung des gesellschaftlichen Nutzens öffentlicher Forschungsinvestitionen (Stichwort „public return on public investment“) und eines gleichberechtigten Zugangs zu den daraus resultierenden Produkten bzw. Dienstleistungen
- Vollständige Transparenz bei Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen
- Anwendung des Prinzips der offenen Wissenschaft
- Gemeinsame Besprechung von sensiblen gesundheitspolitischen Fragestellungen im Rahmen von inklusiven Multi-Stakeholder-Plattformen mit einer starken Beteiligung der öffentlichen Behörden
Der Brief wurde bereits an die oben genannten Kommissarinnen sowie auch an die relevanten Abgeordneten des Europäischen Parlaments und die Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten bei der EU versandt.